Trotzkij

Trotzkij
Trọtzkij,
 
Leo (Lew) Dawidowitsch, seit 1902 Deckname von Leib Brọnschtein (Lejb Brọnštejn [-ʃt-] ), russischer Revolutionär, * Janowka (Gebiet Cherson) 7. 11. 1879, ✝ (ermordet) Coyoacán (bei Mexiko) 21. 8. 1940; gründete 1897 den revolutionären »Südrussischen Arbeiterbund«; 1898 verhaftet, 1899 nach Sibirien verbannt, konnte 1902 ins Ausland fliehen. Er gewann 1902-04 als Redakteur bei der Zeitschrift »Iskra« eine führende Stellung in der russischen Sozialdemokratie. Auf deren zweitem Parteitag geriet er 1903 besonders über Fragen des Parteistatuts und der personellen Besetzung der »Iskra«-Redaktion in einen erbitterten, langjährigen Gegensatz zu Lenin. Nach der Spaltung der russischen Sozialdemokratie (1903) neigte er zunächst den Menschewiki zu, suchte aber dann zwischen diesen und den Bolschewiki zu vermitteln. Angeregt durch den deutschen sozialistischen Theoretiker A. I. L. Helphand entwickelte Trotzkij seit 1904 den Gedanken der »permanenten Revolution« (Trotzkismus). In der russischen Revolution von 1905-06 nahm er von Oktober bis Dezember 1905 eine führende Stellung im Sankt Petersburger Sowjet ein. Im Dezember 1905 verhaftet, konnte er erneut aus der Verbannung ins Ausland fliehen. Als Publizist lebte er in Wien (1907-14), Paris (1914-16) und zuletzt in den USA (1917). Seit Beginn des Ersten Weltkrieges wandte sich Trotzkij wieder stärker Lenin zu, da dieser am Ziel der Revolution konsequent festhielt.
 
Nach dem Ausbruch der Februarrevolution 1917 kehrte Trotzkij im Mai 1917 nach Russland zurück und schloss sich im Juli den Bolschewiki an. Mit großer Energie und Beredsamkeit ausgestattet, stieg er schnell in die Führungsspitze der Bolschewiki auf (seit September Mitglied des ZK, seit Oktober des neu gebildeten Politbüros). Dank seiner agitatorischen Fähigkeiten gewannen die Bolschewiki seit September 1917 die Mehrheit der Delegierten im Petrograder Sowjet. An der Spitze eines am 9. 10. 1917 gebildeten »Militärrevolutionären Komitees« organisierte Trotzkij den Aufstand der Bolschewiki vom 25. 10. (7. 11.) 1917 gegen die Provisorische Regierung unter A. Kerenskij (Oktoberrevolution).
 
Am 26./27. 10. 1917 übernahm Trotzkij im Rat der Volkskommissare unter Lenin das Amt des Außenkommissars. Seit Ende Dezember 1917 leitete er zugleich die Regierungsdelegation bei den Friedensverhandlungen mit den Mittelmächten in Brest-Litowsk. In der Erwartung, dass die russische Revolution sich zur »Weltrevolution« ausweiten und besonders auch Deutschland und Österreich-Ungarn ergreifen würde, trat er - im Gegensatz zu Lenin - für eine Ablehnung der harten Friedensbedingungen und eine Politik des Abwartens unter der Formel »weder Krieg noch Frieden« ein. Da im Februar 1918 die Mittelmächte die Annahme ihrer Friedensbedingungen erzwangen, trat Trotzkij vor Unterzeichnung des Friedensvertrages (3. 3. 1918 als Außenkommissar zurück.
 
Nach seiner Ernennung zum Kriegskommissar (März 1918) baute Trotzkij die Rote Armee auf. Als ihr Organisator und Oberbefehlshaber hatte er großen Anteil am Sieg des bolschewistischen Russland im Bürgerkrieg (1918-21/22). Seit dem Tod Lenins (1924) entwickelten sich langjährige Spannungen zwischen Trotzkij und Stalin zu einem Machtkampf. Die Auseinandersetzung kreiste um die steigende Machtfülle Stalins und ihren Missbrauch sowie - ideologisch - um die Rolle der Sowjetunion bei der Vorbereitung der Weltrevolution (Trotzkismus). Im Bunde mit G. J. Sinowjew und L. B. Kamenew gelang es Stalin, Trotzkij zu entmachten. Nach seiner Absetzung als Kriegskommissar (1925) musste Trotzkij 1926 das Politbüro, 1927 das ZK der Partei verlassen. 1928 wurde er nach Kasachstan verbannt und 1929 aus der Sowjetunion ausgewiesen. Als Emigrant (zuletzt in Mexiko) setzte er seinen Kampf gegen Stalin unter der Devise »Verrat der Revolution« fort und veranlasste 1938 seine Anhänger, die »Trotzkisten«, zur Gründung der IV. Internationale. Nach einem gescheiterten Attentatsversuch auf ihn (24. 5. 1940) wurde Trotzkij am 20. 8. 1940 in seinem Haus von dem Spanier Ramón Mercader, einem Agenten der sowjetischen Geheimpolizei, tödlich verwundet; er starb einen Tag später.
 
 
I. Deutscher: Trotzki, 3 Bde. (a. d. Engl., 21972);
 L. Comby: Léon Trotsky (Paris 1976);
 V. Serge: L. T. Leben u. Tod (a. d. Frz., Neuausg. 1981);
 W. Lubitz: Trotsky bibliography (München 21988);
 D. Wolkogonow: Trotzki. Das Janusgesicht der Revolution (a. d. Russ., 1992);
 W. Hedeler: Stalin, T., Bucharin (1994);
 H. Wilde: L. T. (55.-56. Tsd. 1995).
 
Hier finden Sie in Überblicksartikeln weiterführende Informationen:
 
Komintern: Weltrevolution oder sowjetische Interessenpolitik
 

Universal-Lexikon. 2012.

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